Rechtfertigt der Austritt aus der katholischen Kirche eine Kündigung?
Ein Fall aus Dortmund beschäftigt nun auch den Europäischen Gerichtshof
Darf ein der katholischen Kirche zugeordnetes Krankenhaus eine Arbeitnehmerin allein deshalb als ungeeignet ansehen, weil sie vor Beginn des Arbeitsverhältnisses aus der katholischen Kirche ausgetreten ist? Und gilt dies auch, wenn das Krankenhaus eigentlich gar nicht von den eigenen Arbeitnehmern*Innen verlangt, in der katholischen Kirche zu sein? Diese Fragen beschäftigt nun auch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Brüssel.
Doch wie kam es dazu?
Eine Hebamme klagte vor dem Arbeitsgericht Dortmund gegen ihre Kündigung. Die Arbeitgeberin gehört dem Deutschen Caritasverband an und betreibt u.a. ein Krankenhaus in Dortmund. Die Hebamme war hier bis Mitte 2014 beschäftigt. Danach machte sie sich selbstständig. Im Jahr 2014 trat sie aus der katholischen Kirche aus.
Bei einem neuerlichen Einstellungsgespräch im Jahr 2019 wurde ihre Zugehörigkeit zur katholischen Kirche nicht thematisiert. Den ihr übersandten und vom Krankenhaus bereits unterzeichneten Arbeitsvertrag reichte sie zusammen mit einem Personalfragebogen bei Beginn des Arbeitsverhältnisses an die Personalabteilung zurück. Im Personalfragebogen gab sie den Austritt aus der katholischen Kirche an.
Hebamme sollte wieder in katholische Kirche eintreten
Nachdem Gespräche mit dem Ziel, sie wieder zu einem Eintritt in die katholische Kirche zu bewegen, erfolglos blieben, kündigte das Krankenhaus das Arbeitsverhältnis. Interessant dabei: Sie beschäftigt in ihrem Krankenhaus konfessionslose Mitarbeiter*Innen, die nicht zuvor katholisch waren, auch als Hebammen.
Vor Gericht: Erst bekam die Hebamme Recht, dann unterlag sie
Das Arbeitsgericht Dortmund (09.01.2020, Az. 4 Ca 3024/19) gab ihrer Kündigungsschutzklage statt. Das Landesarbeitsgericht (LAG) in Hamm (24.09.2020, Az. 18 Sa 210/20) wies sie ab. Dabei stellte die 18. Kammer des LAG insbesondere den Grundsatz der Kündigungsfreiheit in den ersten 6 Monaten des Arbeitsverhältnisses in den Vordergrund.
Der Fall liegt jetzt in Brüssel
Die Hebamme zog vor das Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Der 2. Senat setzte das Verfahren nun aus und ersuchte den EuGH um die Beantwortung von Fragen zur Auslegung des Unionsrechts (Beschluss vom 21.7.22, 2 AZR 130/21 (A)). Hier soll geklärt werden, ob die Ungleichbehandlung der Hebamme mit Arbeitnehmern, die niemals Mitglied der katholischen Kirche waren, gerechtfertigt sein kann. Diese Fragen stellt der 2. Senat insbesondere vor dem Hintergrund des durch Artikel 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf gewährleisteten Schutzes vor Diskriminierungen unter anderem wegen der Religion.
Quelle: Bundesarbeitsgericht Erfurt
Heike Mareck ist Anwältin. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der Beratung, Vertragsgestaltung und Vertretung auf dem Gebiet des IT-, Medien-, Datenschutz-, Arbeitsrechts und dem Hinweisgeberschutz. Als externe Datenschutzbeauftragte betreut sie zahlreiche Unternehmen. Daneben ist sie als Referentin sowie als Interviewpartnerin und (Gast-)Autorin sehr gefragt und steht für alle diese Tätigkeiten gern zur Verfügung.