Urheberrecht
Stress um Jerusalema-Challenge:
Warner verschickt Abmahnungen
Viele haben es gemacht: Mitarbeiter/Innen aus Krankenhäusern, Feuerwehren, Polizeistationen, Airlines. Sie alle haben an der Jerusalema-Challenge teilgenommen und zum Song „Jerusalema“ getanzt. Das dabei entstandene Video wurden dann hochgeladen.
Doch nun gibt es Stress: Warner Music verschickte Abmahnungen und Schadenersatzforderungen in mittlerer vierstelliger Höhe an die Teilnehmer und forderte sie auf, die Videoclips nicht weiter auf YouTube bereitzustellen. Geht das?
Moralisch unmöglich, rechtlich wohl möglich
Mal abgesehen von der Frage, ob das „moralisch richtig“ ist (denn schließlich wurde die Aktion als Zeichen der Hoffnung in der Pandemie-Zeit geschaffen), sieht die rechtliche Situation so aus:
Fakt ist, dass der Künstler „Master KG“ den Song „Jerusalema“ komponiert hat. Er ist damit der Urheber des Werks. Er und sein Label Warner haben damit das sogenannte „Synchrecht“ – zu deutsch: Filmherstellungsrecht nach § 88 Urheberrechtsgesetz (UrhG).
Das UrhG schützt einerseits die Rechte des Urhebers an seinem Werk vor Beeinträchtigungen, andererseits werden diese Rechte durch eine Reihe von Vorschriften eingeschränkt. Daher stellt sich hier die Frage, ob ein unzulässiger Eingriff in die Rechte eines Urhebers vorliegt.
Urheberrechtlich geschütztes Werk
Keine Frage: Bei dem Song „Jerusalema“ handelt es sich um ein urheberrechtlich geschütztes Werk. Es stellt eine persönliche geistige Schöpfung gem. § 2 Abs. 2 UrhG und ein Werk der Musik gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG dar. An Musikwerken haben meist mehrere Personen Rechte, z. B. der Komponist, der Textautor sowie der ausübende Künstler. Hier ist es in erster Linie der Künstler „Master KG“.
Doch was hat Warner damit zu tun? In vielen Fällen werden die Rechte eines Künstlers von einer Verwertungsgesellschaft oder Produktionsfirma wahrgenommen. Dabei spielt es keine Rolle, dass es sich um einen südafrikanischen Urheber handelt. Denn ausländische Urheber genießen gem. § 121 Abs. 4 S. 1 UrhG ebenfalls urheberrechtlichen Schutz und zwar nach Maßgabe des einschlägigen Staatsvertrages. In diesem Fall bestimmt Art. 5 Abs. 1 der Revidierten Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (RBÜ), dass Urheber in den Verbandsländern den gleichen Schutz genießen wie inländische Urheber. Somit stellt der Song „Jerusalema“ ein nach dem deutschen Urheberrecht geschütztes Werk dar.
Wurde in die Rechte des Urhebers eingegriffen?
Ja. Denn die Tänzer haben wohl das Musikwerk mit „Bildfolgen“ zu einem Filmwerk verknüpft, ohne die Rechteinhaber nach einer Lizenz zu fragen. Für die Verwertung oder Veröffentlichung ist die Zustimmung des Urhebers bzw. Rechteinhabers erforderlich, die im vorliegenden Fall eben nicht vorliegt. Eine Veröffentlichung liegt immer dann vor, wenn das umgestaltete Werk die Privatsphäre verlässt und dem Bereich der Öffentlichkeit zugeführt wird. Insofern stellen das Hochladen des Musikvideos auf eine Internetseite oder das Einstellen in ein Videoportal eine unzulässige Veröffentlichung dar.
Die Folgen: Unterlassungsanspruch und Schadenersatz. Musste Warner nun Abmahnungen aussprechen und Schadenersatz fordern? Nein! Wollten sie es? Wohl schon!
Praxistipp
Stets daran denken: Für eine Veröffentlichung auf Internetseiten oder Videoportalen sind die entsprechenden Nutzungsrechte einzuholen.
Heike Mareck ist Anwältin. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der Beratung, Vertragsgestaltung und Vertretung auf dem Gebiet des IT-, Medien-, Datenschutz-, Arbeitsrechts und dem Hinweisgeberschutz. Als externe Datenschutzbeauftragte betreut sie zahlreiche Unternehmen. Daneben ist sie als Referentin sowie als Interviewpartnerin und (Gast-)Autorin sehr gefragt und steht für alle diese Tätigkeiten gern zur Verfügung.