Darf die Stadt Dortmund auf ihrem Internetportal mit eigenen Angeboten in Wettbewerb zur privaten Presse treten?

Darf eine Stadt auf ihrem Internetportal mit eigenen Angeboten in Wettbewerb zur privaten Presse treten? Mehrere Gerichte in Deutschland befassen sich derzeit mit dieser Frage. Nun hat das OLG Hamm entschieden, dass das von der Stadt betriebene Portal „dortmund.de“ nicht presseähnlich ist.

Verlag: Informationen zu Veranstaltungen und zum Profi-Fußballverein bleiben Presse vorbehalten

Anlass des Streits ist ein Internetportal, welches die Stadt Dortmund betreibt und das zum fraglichen Zeitpunkt in Teilen werbefinanziert war. Der klagende Verlag verlangte von der Stadt, ihr Telemedienangebot im Rahmen der kommunalen Öffentlichkeitsarbeit auf die redaktionelle Darstellung der eigenen Aktivitäten zu beschränken. Die Stadt Dortmund würde den Bereich kommunaler Öffentlichkeitsarbeit überschreiten, wenn sie beispielsweise Artikel zum allgemeinen lokalen Stadtgeschehen veröffentliche. Insbesondere gehöre die Berichterstattung über nichtstädtische Veranstaltungen in einem „Veranstaltungskalender“, einen Profi-Fußballverein oder „Nightlife“ nicht in ein städtisches Informationsmedium, sondern sei der freien Presse vorbehalten.

Stadt Dortmund: Internetportal gehört zu Daseinsvorsorge

Die Stadt war der Ansicht, sie erfülle durch das Internetportal ihre Verpflichtung zur öffentlichen Daseinsvorsorge.

Zunächst bekam der Verlag Recht …

Das Landgericht Dortmund gab der Klage des Verlegers statt. Die beklagte Stadt verstoße – so das Landgericht – gegen den Grundsatz der Staatsferne der Presse, weil das von ihr betriebene Internetportal als Informationsplattform mit journalistischen Beiträgen über das gesamte politische und gesellschaftliche Leben in der Stadt berichten wolle. Gegen dieses Urteil wandte sich die Stadt Dortmund mit ihrer Berufung.

… dann die Stadt Dortmund

Und die Stadt Dortmund bekam Recht. Eine Verletzung des aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz folgenden Gebots der Staatsferne der Presse sei nicht feststellbar, meinte das OLG Hamm (10.06.2021, Az. 4 U 1/20). Es könne nicht festgestellt werden, dass das Internetportal der Stadt in unzulässiger Weise die private Presse substituiere. Im Hinblick auf den Umfang des Internetportals einschließlich der großen Anzahl an Haupt- und Unterseiten könne nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass durch den Betrieb des Stadtportals in der streitgegenständlichen Form ein Leseverlust bei der privaten Presse und eine damit dem Institut der freien Presse zuwider laufende Meinungsbildung durch den Staat von oben nach unten eintrete. Zwar würden einzelne Artikel gegen das Gebot der Staatsferne der Presse verstoßen. Diese würden aber aufgrund der abrufbaren Fülle an Informationen „untergehen“.

Andere Städte, andere Urteile, andere Ansichten

So gab das Landgericht München (Urt. v. 17.11.2020, Az. 16274/19) der Klage einiger Münchner Zeitungsverlage statt und entschied, dass das Angebot des Online-Portals muenchen.de in seiner konkreten Ausgestaltung nicht mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Staatsferne der Presse vereinbar und deshalb wettbewerbswidrig sei.

 

BGH gibt Stadt Dortmund Recht

Update 14.7.2022

Die Revision des Verlages vor dem BGH war erfolglos. Mit Urteil vom 14. Juli 2022 (I ZR 97/21) stellte der 1. Senat des BGH fest, dass das Internetportal der Stadt Dortmund nicht gegen das aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleitete Gebot der Staatsferne der Presse verstößt. Hierzu im Einzelnen:

„Für die konkrete Beurteilung kommunaler Publikationen sind deren Art und Inhalt sowie eine wertende Gesamtbetrachtung maßgeblich. Dabei ist entscheidend, ob der Gesamtcharakter des Presseerzeugnisses geeignet ist, die Institutsgarantie aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu gefährden. Bei Online-Informationsangeboten, die nach ihren technischen Gegebenheiten nicht den für Druckerzeugnisse bestehenden Kapazitätsbeschränkungen unterliegen, ist das quantitative Verhältnis zwischen zulässigen und unzulässigen Beiträgen regelmäßig weniger aussagekräftig als bei Printmedien. Für die Gesamtbetrachtung kann deshalb bedeutsam sein, ob gerade die das Gebot der Staatsferne verletzenden Beiträge das Gesamtangebot prägen. Die vom Berufungsgericht nach diesen Maßstäben vorgenommene Beurteilung des Internetportals der beklagten Stadt hat der Bundesgerichtshof nicht beanstandet.“

 

Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 14.07.2022, Nr. 108/2022

 

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