S-Bahn-Fahrer hat keinen Anspruch auf Herausgabe von Videoaufnahmen seiner Fahrt
Habe ich als Fahrgast einen Anspruch darauf, dass die von mir in der S-Bahn aufgenommenen Videoaufnahmen herausgegeben werden? Diese Frage kommt häufiger in der Beratungspraxis vor – insbesondere nach intensiven Wochenenden in Großstädten (Fußballspiele, Messebesuchen, Festivals etc.). Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg musste sich jüngst mit einer solchen Frage befassen.
Was war geschehen?
Ein S-Bahn-Fahrer (Beigeladener in dem Verfahren) beantragte bei der S-Bahn Berlin GmbH (Klägerin) die Herausgabe einer Kopie der Videoaufnahmen seiner Fahrt mit der S-Bahn. Hierbei berief er sich auf das in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vorgesehene Auskunftsrecht (Art. 15 Abs. 3 DSGVO). Die S-Bahn GmbH verweigerte dies mit Hinweis auf ihr Datenschutzkonzept, das sie mit der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit abgestimmt hatte. Dieses sieht vor, dass die Videoaufnahmen nicht selbst eingesehen werden können und nur bei Auskunftsanfragen der Strafverfolgungsbehörden an diese herausgegeben werden. Im Übrigen erfolgt eine Löschung durch fortlaufende Überschreibung nach 48 Stunden.
Daraufhin wandte sich der Fahrgast an die Aufsichtsbehörde für Datenschutz in Berlin. Diese erteilte der S-Bahn Berlin GmbH drei datenschutzrechtliche Verwarnungen. Hiergegen klagte die S-Bahn Berlin GmbH und beantragte beim Verwaltungsgericht (VG) Berlin, die Bescheide der Aufsichtsbehörde aufzuheben.
Die erste Entscheidung
Das VG Berlin (Urteil vom 12.10.2023, Az. 1 K 561/21) gab der S-Bahn GmbH im wesentlichen Recht. Der Fahrgast habe schon nicht nachgewiesen, dass er tatsächlich die „betroffene Person“ im Sinne von Art. 15 DSGVO sei, deren Bilddaten zu dem von ihm angegebenen Zeitraum in dem von ihm benannten Zug gespeichert worden seien. Um die Herausgabe an unberechtigte Dritte ausschließen zu können, müsse eine zweifelsfreie Übereinstimmung der Person des Auskunftsbegehrenden mit der Person des auf den Videos Abgebildeten gewährleistet werden. Hierfür würden allein Angaben, wie der Fahrgast sie gemacht habe (Zeitraum der Beförderung, Zugnummer, äußeres Erscheinungsbild und Verhaltensweise der Person) nicht ausreichen. Denn es erscheine beispielsweise denkbar, dass ein Antragsteller derartige Angaben zu einer anderen Person mache, die ihm etwa deshalb bekannt seien, weil er mit ihr zusammen in einem der Züge gefahren sei, um so an die Videoaufzeichnungen dieser Person zu gelangen. Zudem habe der Fahrgast eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen und seine Gesichtszüge seien daher nicht erkennbar gewesen.
Hinzu komme, dass der S-Bahn GmbH die Auskunftserteilung auch wegen eines dafür zu treibenden unverhältnismäßigen Aufwandes nicht zumutbar gewesen sei. Hierzu hat das Amtsgericht Pankow in einem Verfahren, in dem ein Fahrgast die S-Bahn GmbH auf Zahlung von Schadenersatz in Anspruch genommen hat folgendes ausgeführt (Urteil vom 28.03.2022, Az. 4 C 199/21):
„Hinsichtlich des hierauf basierenden Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DSGVO ist der Beklagten das Erfüllen dieses Auskunftsanspruchs jedoch aufgrund unverhältnismäßigen Aufwands unzumutbar gemäß § 275 Abs. 2 BGB …. Aufgrund des Ausnahmecharakters von § 275 Abs. 2 BGB und aufgrund der zentralen Bedeutung des Auskunftsanspruchs gemäß Art. 15 DSGVO sind strenge Maßstäbe an die Unverhältnismäßigkeit eines Auskunftsbegehrens anzulegen. Insbesondere besteht ein Verweigerungsrecht nur bei einem groben Missverhältnis zwischen Aufwand und Leistungsinteresse… Ein solch grobes Missverhältnis besteht jedoch hier. Denn das Transparenzinteresse des Klägers ist äußerst gering. Insbesondere war er sich des Ob, Wie und Was der Datenverarbeitung bewusst (…). Der Kläger wusste genau, dass und in welchem Umfang personenbezogene Daten erhoben werden.“
Die zweite Entscheidung
Nun bestätigte auch das OVG Berlin-Brandenburg (13.05.2025, Az. OVG 12 B 14/23) die Entscheidung des VG Berlin. Nach Auffassung des 12. Senats habe es sich bei den Videoaufnahmen zwar um die Verarbeitung personenbezogener Daten gehandelt. Dennoch habe die S-Bahn GmbH die Herausgabe angesichts ihres Datenschutzkonzeptes verweigern dürfen. Dieses verfolge gerade das Ziel, den Wertungen der DSGVO und den Persönlichkeitsrechten der Fahrgäste in größtmöglichem Umfang Rechnung zu tragen. Demgegenüber habe das Interesse des Fahrgastes am Erhalt gerade der Videoaufzeichnung zurücktreten müssen, nachdem er bereits auf sein Gesuch hin von der S-Bahn GmbH entsprechend Art. 15 Abs. 1 DSGVO über die Art und Weise sowie Dauer der Datenspeicherung informiert worden sei.
Damit hat sich das OVG Berlin-Brandenburg positioniert. Es hat die Revision beim Bundesverwaltungsgericht zugelassen.

Heike Mareck ist Anwältin. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der Beratung, Vertragsgestaltung und Vertretung auf dem Gebiet des IT-, Medien-, Datenschutz-, Arbeitsrechts und dem Hinweisgeberschutz. Als externe Datenschutzbeauftragte betreut sie zahlreiche Unternehmen. Daneben ist sie als Referentin sowie als Interviewpartnerin und (Gast-)Autorin sehr gefragt und steht für alle diese Tätigkeiten gern zur Verfügung.