Das Hinweisgeberschutzgesetz tritt am 02. Juli 2023 in Kraft: Sieben wichtige Fragen von Unternehmen
Es hat lange dauert, nun ist es amtlich: Das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) tritt am 02. Juli 2023 in Kraft. Nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt am 02. Juni 2023, haben Unternehmen ab 250 Beschäftigten nun bis zum Inkrafttreten Zeit, eine interne Meldestelle einzurichten. Für Unternehmen zwischen 50 und 249 Beschäftigten gibt es noch eine Übergangsfrist bis zum 17. Dezember 2023.
Damit endet ein langer Gesetzgebungsprozess, der mit dem Inkrafttreten der Europäischen Hinweisgeberrichtlinie (EU) 2019/1937 am 16. Dezember 2019 begann. Seit Ende 2021 war Deutschland mit der Umsetzung im Verzug und zuletzt lief aus diesem Grund ein teures Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission.
Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit den ersten Fragen, die sich die Unternehmen jetzt stellen.
- Warum soll es ein Hinweisgeberschutzgesetz in Deutschland geben?
Mitarbeiter*Innen und andere Personen erfahren inner- und auch außerhalb ihrer Arbeitszeit viel über die internen Unternehmensvorgänge. Darunter können auch Vorgänge sein, die z.B. Gesetzesverstöße oder andere Missstände beinhalten, oder Bereiche, die den internen Compliance-Regeln zuwiderlaufen. Wenn diese Person nun solche Vorgänge meldet (und damit vielleicht noch Arbeitskollegen und/oder den Chef/die Chefin belastet), können Repressalien oder Vergeltungsmaßnahmen (Versetzung, Mobbing, etc.) für die hinweisgebenden Personen die Folge sein. Schlimmstenfalls kommt sogar eine Kündigung in Betracht. Neben den wirtschaftlichen Folgen kann sich das dann auch persönlich oder sogar gesundheitlich auswirken. Genau hiervor soll das HinSchG die hinweisgebende Person zukünftig schützen. Dafür nimmt es die Unternehmen mit dem Gesetz in die Pflicht.
- Wie schützt das HinSchG zukünftig den Hinweisgeber/die Hinweisgeberin?
Wesentlicher Inhalt des HinSchG ist, neben den Meldekanälen und der Vertraulichkeit, der Schutz der Hinweisgebenden vor Repressalien. Dafür sieht das Gesetz ein Verbot vor, das auch die Androhung oder den Versuch von Repressalien beinhaltet. Die Europäische Whistleblowing-Richtlinie nennt einige Beispiele für Repressalien, wie etwa: Kündigung, Herabstufung oder Versagung einer Beförderung, Aufgabenverlagerung, Änderung der Arbeitszeit, Versagung der Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen, negative Leistungsbeurteilung, Disziplinarmaßnahmen, Nötigung, Mobbing, vorzeitige Kündigung oder Aufhebung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen für Geschäftspartner*Innen.
Zudem gilt bei Benachteiligungen, die mit der beruflichen Tätigkeit zusammenhängen, zukünftig die Beweislastumkehr zu Gunsten des Hinweisgebers/der Hinweisgeberin. Sollte der hinweisgebenden Person also beispielsweise nach einem Hinweis gekündigt werden, wird vermutet, dass dies eine verbotene Repressalie im Sinne des Gesetzes sei. Das Unternehmen muss dann beweisen können, dass andere hinreichende Gründe für die Kündigung vorliegen. Die Beweislastumkehr greift aber nur, wenn die hinweisgebende Person auch geltend macht, dass die Benachteiligung gerade auf Grund ihrer Meldung erfolgt ist.
Zusätzlich gibt es einen Schadensersatzanspruch für die hinweisgebende Person, der dennoch eine Repressalie widerfahren ist.
- Was ist eine „interne“ und „externe“ Meldestelle?
Alle Unternehmen müssen sich an die Regelungen des Hinweisgeberschutzes halten und dürfen Hinweisgebern keine Nachteile verschaffen.
Bei allen Unternehmen wird eine Möglichkeit für Hinweisgebende existieren, sich an eine externe Meldestelle zu wenden. Dies ist in der Regel eine Stelle bei einer Bundes- oder Landesbehörde, die thematisch zuständig ist, wie z.B. das Bundesamt für Justiz, die BaFin oder das Bundeskartellamt.
Unternehmen mit in der Regel mindestens 50 Beschäftigten oder Beschäftigte in speziellen Branchen (z.B. Wertpapierhandel, Versicherungen) müssen zudem eine interne Meldestelle errichten und zur Verfügung stellen. Hier kann die meldende Person nun wählen, welcher Meldeweg eingeschlagen werden soll.
- Welche Unternehmen sind betroffen?
Wenn 50 bis 249 Beschäftigte im Unternehmen tätig sind, gibt es für diese noch eine verlängerte Frist zur Errichtung einer internen Meldestelle bis zum 17. Dezember 2023. Auch können diese kleineren Unternehmen eine gemeinsame Stelle betreiben.
In Unternehmen ab 250 Beschäftigten muss die Umsetzung zum 2. Juli 2023 erfolgen.
In einigen Branchen und Sektoren ist ein Hinweisgebersystem unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten vorgeschrieben. Unternehmen in Branchen wie Finanzdienstleistungen, Gesundheitswesen und Energie sind verpflichtet ein Hinweisgebersystem bereit zu stellen. Gleiches gilt für Regierungen und den öffentlichen Dienst.
Mittels des Quick-Check können Unternehmen, Vereine und öffentliche Einrichtungen schnell herausfinden, ob auch sie betroffen sind.
- Muss auch der Hinweisgeber etwas beachten?
Die hinweisgebende Person hat aus dem HinSchG nicht nur Rechte, sondern muss auch Sorgfaltspflichten beachten. Sie muss „hinreichenden Grund zu der Annahme“ haben, dass die Informationen über Verstöße zum Zeitpunkt der Meldung der Wahrheit entsprechen. Bei grob fahrlässiger oder vorsätzlich falscher Meldung macht sie sich gegebenenfalls auch schadenersatzpflichtig. Der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden dürfen Informationen nur, wenn diese vorher ohne Reaktion oder Behebung des Missstandes über die internen oder externen Meldekanäle gemeldet wurden. Bei einer Offenlegung wissentlich falscher Informationen kann der meldenden Person außerdem ein Bußgeld auferlegt werden.
- Was passiert, wenn das Unternehmen das HinSchG ignoriert?
Das HinSchG sieht Bußgelder für Unternehmen vor, die gegen die Regelungen verstoßen, so kann z.B. ein Bußgeld
- in Höhe von 20.000 EUR fällig werden, wenn trotz Verpflichtung kein interner Meldekanal zur Verfügung gestellt wird.
- in Höhe von 50.000 EUR verhängt werden, bei Repressalien gegenüber Hinweisgebern.
Durch einen Verweis auf § 30 OWiG können sich diese Bußgelder bei bestimmten Ordnungswidrigkeiten sogar noch verzehnfachen.
- Was ist nun zu tun?
Zunächst sollten alle betroffenen Unternehmen schnellstmöglich einen Meldekanal implementieren und den Beschäftigten zur Verfügung stellen. Für die meisten Unternehmen wird ein externer Anbieter für ein Meldesystem aufgrund von Know-how, Wirtschaftlichkeit und Risikoabwägungen die attraktivere Option sein.
Die Kanzlei Mareck bietet ein Hinweisgebersystem an, mit dem alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden, von der Unabhängigkeit und Fachkunde der beauftragten Personen bis zur Wahrung der gesetzlichen Fristen. Auch eine freiwillige anonyme Meldung ist möglich.
Gerne unterstütze ich Sie bei der rechtssicheren Umsetzung der Herausforderungen des HinSchG. Kommen Sie bei Interesse oder Fragen zur Umsetzung gern auf mich zu!
Heike Mareck ist Anwältin. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der Beratung, Vertragsgestaltung und Vertretung auf dem Gebiet des IT-, Medien-, Datenschutz-, Arbeitsrechts und dem Hinweisgeberschutz. Als externe Datenschutzbeauftragte betreut sie zahlreiche Unternehmen. Daneben ist sie als Referentin sowie als Interviewpartnerin und (Gast-)Autorin sehr gefragt und steht für alle diese Tätigkeiten gern zur Verfügung.