Kündigung wegen mutmaßlicher Mitgliedschaft bei den Hammerskins möglich?

Zwar könne das Arbeitsverhältnis eines städtischen Mitarbeiters aufgrund einer Mitgliedschaft in einer konspirativen und rassistischen Vereinigung gekündigt werden, wenn die Mitgliedschaft konkrete Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis habe. Aber die bloße Mitgliedschaft in der Vereinigung „Hammerskins“ und die Drucksituation aus der Belegschaft reichen für eine Kündigung wohl nicht aus. Damit bestätigte das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm ein Urteil des Arbeitsgerichts Bochum.

Was war passiert?

Die Stadt Bochum hatte im Jahr 2021 einem 34-jährigen Garten- und Landschaftsbauer fristlos und hilfsweise ordentlich gekündigt. Als Grund gab sie an, der Angestellte sei mutmaßlich Mitglied in der international agierenden Vereinigung Hammerskins, Division Deutschland, Chapter Westfalen. Die restliche Belegschaft stehe daher unter eine besonderen Drucksituation.  Das seit dem Jahr 2005 bestehende Arbeitsverhältnis verlief bis dato störungsfrei.

Die Vereinigung wird als konspirative und rassistische, nach ihrem Gedankengut teils neonazistische Kaderorganisation mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung beschrieben und vom Verfassungsschutz beobachtet

Vor dem Arbeitsgericht …

Der Angestellte erhob zunächst vor dem Arbeitsgericht Bochum Kündigungsschutzklage (Urteil vom 01.12.2021, Az. 3 Ca 997/21) und war erfolgreich: Das Arbeitsgericht hielt die Kündigungen für unwirksam. Allerdings beendete es auf Antrag der Stadt Bochum das Arbeitsverhältnis durch ein rechtsgestaltendes Auflösungsurteil zum 31. März 2022 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 30.000 EUR.

Gegen dieses Urteil legten beide Parteien (Stadt Bochum und Arbeitnehmer) Berufung ein.

Nächste Instanz: Das LAG …

Das LAG Hamm (Urteil vom 06.12.2022, Az. 17 Sa 139/22) schloss sich der vorherigen Entscheidung des Arbeitsgerichts an. Ob der als technischer Sachbearbeiter im Bereich der Park- und Grünanlagen der Stadt Bochum eingestellte Angestellte tatsächlich Mitglied der Hammerskin Vereinigung ist, konnte im Prozess nicht geklärt werden, da er sich hierzu nicht äußerte.

Die zuständige Kammer ließ erkennen, dass sie eine bloße Mitgliedschaft des Angestellten bei den Hammerskins mit Blick auf seine konkreten Arbeitsaufgaben und mangels entsprechender Äußerungen im oder Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis nicht für ausreichend erachtet.

Auch die als weiterer Kündigungsgrund bemühte Drucksituation nach Grad und Ausprägung im Einzelfall sei noch nicht kündigungsrelevant.

Allerdings sei dem Angestellten vorzuhalten, dass sein bzw. das ihm zuzurechnende Verhalten im Prozess die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Stadt gleichwohl unzumutbar mache. Der Angestellte hatte der Stadt im Kontext der Kündigung vorausgehender Gespräche über die Möglichkeit einer einvernehmlichen Vertragsauflösung wiederholt vorgeworfen, mit den dort angedachten Vorschlägen über zeitlich befristete Ausgleichszahlungen einen Betrug zu Lasten anderer öffentlicher Kassen angeregt zu haben. Dies sachlich zu Unrecht und ohne erkennbaren Bezug zu einer zulässigen Verteidigung gegen die Kündigungen, so das Arbeitsgericht. Eine dem Beschäftigungszweck dienliche Zusammenarbeit sei danach nicht mehr zu erwarten.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen.

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