Kanzleiblog als journalistische Tätigkeit?

Viele Anwaltskanzleien betreiben auf ihrer Website einen Blog. Sind damit alle bloggenden Anwältinnen und Anwälte = Journalistinnen und Journalisten? Und sind die Blogbeiträge = journalistische-redaktionelle Angebote? Mit der Folge, dass man auch zur Gegendarstellung verpflichtet ist – wie die „richtige“ Presse? Wohl nein, sagt das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz.

Gegendarstellung von Kanzlei verlangt

Anlass der Auseinandersetzung war der Blog einer Anwaltskanzlei. Unter „Kanzlei“ Unterpunkt „Presse und Veröffentlichungen“ sind Links zu diversen Artikeln gesetzt, die teils von in der Kanzlei tätigen Rechtsanwälten an anderer Stelle veröffentlicht wurden oder in denen die Kanzlei von Drittautoren erwähnt wird. Weiter sind Videobeiträge der Kanzlei unter „Lieblingskollegen“ zu den Laien allgemein interessierenden arbeitsrechtlichen Themen verlinkt.

In dem vom Antragsteller beanstandeten Artikel, der über den Blog aufgerufen werden kann, wird über diverse Rechtsverletzungen auf seinem YouTube-Kanal, vorrangig die Verletzung fremder Marken und Inhalte, berichtet. Der Antragsteller verlangte eine Gegendarstellung nach § 20 MStV auf besagtem Blog.

OLG Koblenz: Keine Gegendarstellung nach Presserecht

Das OLG Koblenz (Beschluss vom 12.04.2021, Az. 4 W 108/21) musste daher darüber entscheiden, ob der Kanzlei-Blog ein redaktionell-journalistisches Angebot ist. Dabei kam es zum Ergebnis, dass kein Anspruch auf Veröffentlichung der begehrten Gegendarstellung gemäß § 20 Abs. 1, 3 Medienstaatsvertrag (MStV, entspricht § 56 RStV) besteht. Es lag nämlich kein journalistisch-redaktionell gestaltetes Angebot i. S. d. § 20 Abs. 1 MStV durch den Anwalt vor.

Schwierig war nach Ansicht des OLG die Frage, welche Angebote als journalistisch-redaktionell anzusehen sind, denn diese seien im Medienstaatsvertrag nicht definiert. Zudem sei die Frage, unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen ein Angebot i. S. d. § 20 MStV „journalistisch-redaktionell“ gestaltet sei, bisher nicht abschließend geklärt. Dies gelte umso mehr, wenn das Angebot nicht von klassischen Redaktionen mit speziell ausgebildeten Journalisten nach tradierten Berufsregeln erstellt worden sei.

Das OLG weiter: „… Denn eine kumulativ zur redaktionellen Gestaltung erforderliche journalistische Gestaltung setzt jedenfalls voraus, dass die Auswahl und Strukturierung der Inhalte gewissen Kriterien genügt, zu denen zumindest auch eine erkennbar publizistische Zielsetzung des Angebots gehört. Daran fehlt es hier….“

Kommerzielle Kommunikation würden grundsätzlich nicht als journalistisch-redaktionell gestaltetes Angebot angesehen, da sie nicht an Kriterien gesellschaftlicher Relevanz ausgerichtet sei, sondern an den verfolgten wirtschaftlichen Interessen. Zudem fehle es erkennbar an der erforderlichen publizistischen Zielsetzung sowohl der Homepage, des Blogs als auch des konkreten Artikels.

Blog ist Kommunikation der Kanzlei

Vielmehr solle der Blog die Rührigkeit und Bekanntheit der Kanzlei insbesondere in ihren Fachgebieten aufzeigen, ihre Kompetenz unterstreichen und die Anwälte persönlich in Aktion präsentieren, so das OLG.

Die Videobeiträge würden sämtlich der kommerziellen Kommunikation i. S. d. § 2 Nr. 5 TMG dienen, insbesondere auch durch Selbstdarstellung des Anwalts, der „Anberatung“ potentieller Mandanten, der Darstellung von betreuten Fällen und erzielten Erfolgen sowie allgemeinen Informationen rund um die tätigkeitsbezogenen Themen. Zweck sei es, potentielle Kunden die Kompetenz der Kanzlei auf ihrem Fachgebiet zu demonstrieren und sie zur Kontaktaufnahme zu bewegen. Auch die Vielzahl der Beiträge mache den Blog noch nicht zu einem journalistisch-redaktionell gestalteten Angebot.

Fazit

Bloggende Anwältinnen/Anwälte sind keine Journalistinnen/Journalisten und Blogbeiträge sind keine journalistisch-redaktionelle Angebote. Damit gibt es auch keinen Gegendarstellungsanspruch.

Es kann aber auch anders laufen

Das OLG Koblenz hielt den Sachverhalt auch nicht vergleichbar mit der Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen (Urteil vom 14.01.2011, Az. 2 U 115/10). Hier gab der der Anwalt unter einer Rubrik „Medien“ dauernd Pressemitteilungen heraus, unterhielt ein „Pressearchiv“ und betrieb – auch nach der Selbstdarstellung – aktive „Medienarbeit“ mit dem erklärten Ziel der Aufklärung von Anlegern und des Kampfes gegen den verbreiteten Lobbyismus von Banken und Finanzdienstleistern. Das geht über ein Kanzleimarketing hinaus.

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