Persönlichkeitsrechte:
Wenn der Nachbar im Garten eine Wild-Kamera installiert …
In einem Nachbarschaftsstreit sah das Amtsgericht München in dem Aufstellen einer Kamera mit Blick auf das Nachbargrundstück eine Persönlichkeitsrechtsverletzung und untersagte diese.
Was war passiert?
Die Nachbarn – nennen wir sie A und B – stritten über eine auf der Terrasse des B aufgestellte Wildüberwachungskamera, die von der Terrasse der A aus sichtbar war. Die A wehrte sich hiergegen gerichtlich und verwies auf ihre Persönlichkeitsrechte. Sie forderte die B u.a. auf, die Videoüberwachung zu beenden und künftig zu unterlassen. B weigerte sich, da es sich ihrer Ansicht nach nicht um eine Videoüberwachung, sondern um eine sogenannte Wild-Kamera handele. Es ginge ausschließlich um die Kontrolle des eigenen Gartens.
Was sagte das Gericht?
Im August 2022 erließ das Amtsgericht München (1.2.23, 171 C 11188/22) zunächst im einstweiligen Rechtsschutz auf Antrag der A eine einstweilige Verfügung. Danach wurde es der B untersagt, auf ihrem Grundstück eine Überwachungskamera aufzustellen, die die Terrasse oder den Garten der A erfasse oder erfassen könne oder den Eindruck hiervon erwecke. B entfernte daraufhin die Kamera.
Auf Antrag der A bestätigte das Amtsgericht München die einstweilige Verfügung dann ein halbes Jahr später. Die Richter begründeten ihre Entscheidung wie folgt:
- Die Kamera habe die A in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt.
- Dabei komme es nicht darauf an, ob die Kamera tatsächlich ausschließlich den Bereich der B erfasst habe oder nicht.
- Die A verweise insoweit mit Erfolg auf die Entscheidung des BGH (16.3.2010, Az. VI ZR 176/09). Danach gelte: „Nach Ansicht des erkennenden Senats kommt es insoweit auf die Umstände des Einzelfalls an. Die Befürchtung, durch vorhandene Überwachungsgeräte überwacht zu werden, ist dann gerechtfertigt, wenn sie auf Grund konkreter Umstände als nachvollziehbar und verständlich erscheint, etwa im Hinblick auf einen eskalierenden Nachbarstreit (vgl. OLG Köln, NJW 2009, 1827 = NZM 2009, 600) oder auf Grund objektiv Verdacht erregender Umstände. Liegen solche Umstände vor, kann das Persönlichkeitsrecht des (vermeintlich) Überwachten schon auf Grund der Verdachtssituation beeinträchtigt sein. Allein die hypothetische Möglichkeit einer Überwachung durch Videokameras und ähnliche Überwachungsgeräte beeinträchtigt hingegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht derjenigen, die dadurch betroffen sein könnten, nicht. […].“
- Nach Durchsicht der Lichtbilder sei das Gericht überzeugt, dass die A zur Ansicht gelangen konnte, dass ihr Grundstück von der Kamera erfasst werde. Es handele sich nicht mehr um die rein hypothetische Möglichkeit der Überwachung.
- Weiterhin fehle es auch nicht an einem Verfügungsgrund. Das Gericht schließe sich insoweit der Argumentation der A an. Sie habe sich von Anfang an gegen die Kamera zur Wehr gesetzt und B sei über diesen Umstand informiert gewesen.
- Der Sachverhalt habe sich zwar mittlerweile maßgeblich verändert, da die Kamera entfernt worden sei. Weiterhin habe die B auch dargelegt, dass sie nicht die Absicht habe, eine weitere Kamera aufzustellen. Dieser Umstand allein sei nicht ausreichend, die indizierte Wiederholungsgefahr aufzuheben.
Quelle: Pressemitteilung 43 des Amtsgerichts München vom 11.12.2023
Heike Mareck ist Anwältin. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der Beratung, Vertragsgestaltung und Vertretung auf dem Gebiet des IT-, Medien-, Datenschutz-, Arbeitsrechts und dem Hinweisgeberschutz. Als externe Datenschutzbeauftragte betreut sie zahlreiche Unternehmen. Daneben ist sie als Referentin sowie als Interviewpartnerin und (Gast-)Autorin sehr gefragt und steht für alle diese Tätigkeiten gern zur Verfügung.